Interview, das kürzlich in München erschien!

„Wie ist die denn so, diese Trauerrednerin?“

Wenn Sie das wissen möchten, dann lesen Sie doch einfach dieses Interview mit mir, das kürzlich in München erschien!

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„Das kam mir viel zu kurz“

Viele Trauerredner sind in einer Religionsgemeinschaft quasi gestartet. Wie ist das bei Ihnen gewesen? Wie sind Sie in dieser Aufgabe gelandet?

Ich bin schon sehr lange nicht mehr in der Kirche, sehe mich aber als Christin. Ich wurde Trauerrednerin weil ich bei Beerdigungen immer wieder – ich nenne es mal diplomatisch – „unangenehm berührt“ war, wie unpersönlich die Abschiede waren. Was machte den verstorbenen Menschen aus? Was für Träume hatte er? Was begeisterte ihn, wie war sein Leben, seine Familie, seine Hobbies, sein Beruf? Das und wie seine Angehörigen ihn erlebt hatten – all das kam mir viel zu kurz, das wollte ich ändern. Und das habe ich dann ja auch gemacht und bin Trauerrednerin geworden. Überwiegend für weltliche Abschiede, aber auf Wunsch der Angehörigen nehme ich gern christliche Elemente wie Gebete oder Kirchlieder in die Trauerfeier mit auf.

„Es ist ein Abschied und keine Abrechnung“

„De mortuis nihil nisi bene – Über Tote rede man nur gut“: Dahinter steckt ja zu allervorderst der respektvolle Ansatz, dass der Verstorbene keine Gegenrede mehr halten kann. Bei genauerer Betrachtung dieses Slogans kann man feststellen, dass das nicht bedeutet, dass man nur „Gutes“ sagen darf, sondern dass es aufgrund der Adverbial-Konstruktion vor allem bedeutet, wie man über den Toten spricht. Wie gehen Sie mit dem Spannungsverhältnis zwischen einer empathischen angemessenen Würdigung und der vermeintlichen Wahrheit um? Konkret, nicht alles muss erwähnt werden, aber die bei der Bewertung Anwesenden möchten den Verstorbenen in Ihrer Rede doch sicher auch ein Stück weit „erkennen“.

Als ausgebildete Trauerbegleiterin erkenne ich Ecken und Kanten, die über das normale „er war halt nicht ganz einfach“ hinausgehen. Ich spreche das vorsichtig an und versuche, in Richtung „Verständnis und Versöhnung“ zu arbeiten. Die Menschen, die unter dem verstorbenen Menschen zu leiden hatten, wollen natürlich nicht, dass das in der Rede breitgetreten wird. Das wird es auch nicht, denn es ist ja ein Abschied und keine Abrechnung. Ich formuliere so, dass die Betroffenen wissen, dass ihre erlittenen Verletzungen wahrgenommen wurden, Uneingeweihte aber nicht peinlich berührt sind. Ich schlage Formulierungen vor, die genau das bewirken. Dadurch vertrauen die Menschen mir, weil sie wissen, dass sie keine böse Überraschung erwartet. Würde ich das, was am verstorbenen Menschen sehr schwierig war, aber komplett ausblenden, dann wäre das, als würde man den Betroffenen sagen „Stell dich nicht so an, war doch nicht schlimm“. So können sie meiner Erfahrung keinen wirklichen Abschluss finden.

„Danach haben sie keine Angst mehr“

In den wohl meisten Fällen stellt der Tod eines Angehörigen eine Art Ausnahmesituation innerhalb des sozialen Milieus, innerhalb der Familie dar. Oft auch noch kombiniert mit einem gewissen Organisationsstress und Zeitdruck. Das Gespräch mit dem Trauerredner wird ja auch in einer Art Briefing-Modus geführt. Für viele gerade der näheren Angehörigen ist diese Zeit besonders wichtig. Und bei genauerer Betrachtung beginnt ja Ihre Aufgabe bereits mit diesem Gespräch. Wie gehen Sie mit dieser doch auch sehr sozialen Aufgabenstellung um?

Ich sehe das Angehörigengespräch und die Abschiedsfeier als „die erste kleine Trauerbegleitung“. Und ich merke, wie wichtig es für die Menschen ist, sich die Zeit nehmen zu dürfen, um sich an den verstorbenen Menschen zu erinnern, zu weinen, zu lächeln. Und auch zu lachen, wenn etwas besonders Amüsantes zur Sprache kommt. Es ist eine „Auszeit“ von all den Aufgaben, die die Menschen rund um den Todesfall erledigen müssen. Es sind zwei bis drei Stunden intensives Gespräch – Zeit, die nur ihnen und dem geliebten Menschen gehört, der gestorben ist. Danach haben sie keine Angst mehr vor der Trauerfeier, weil sie wissen, dass es gut wird. Das entlastet sie sehr. Und nach der Trauerfeier geht es ihnen bei allem Kummer besser, denn sie hatten den guten Abschied, der so wichtig ist für sie.

„So, wie er es sich gewünscht hat“

Haben Sie es schon einmal erlebt, dass die von Ihnen vorzutragende Rede bereits „fertig“ war – sprich vom Verstorbenen vorab selbst formuliert?

Ja, das kommt gelegentlich vor. Aber eher in Form von niedergeschriebenen Erinnerungen, die dem Verstorbenen wichtig sind. Ich durfte von einem Mann, der 101 wurde, sogar die Memoiren lesen, von denen es nur zwei Exemplare gab. Das war äußerst spannend und ich bekam wunderbare, für viele Trauergäste noch unbekannte Informationen, die ich in die Rede einfließen lassen konnte. Ich biete aber auch „Vorsorge“ an. Dann findet das Gespräch noch zu Lebzeiten statt, ich schreibe die Rede, der Mensch liest sie und wir besprechen alles, damit sie ihm gefällt. Alle zwei Jahre haben wir dann wieder Kontakt, ob sich etwas geändert hat, ob noch Wichtiges dazugekommen ist. Wenn der Mensch gestorben ist, dann ist alles so, wie er es sich für die Trauerfeier gewünscht hat. Das ist besonders wichtig bei Menschen, die kaum noch jemanden haben, der etwas über ihn erzählen kann, denn auch dann soll es ja trotzdem sehr persönlich werden und kein allgemeines Blabla…

„Persönliche, individuelle Reden“

Es mag ein subjektiver Eindruck sein – aber so manche Bestattungswünsche wirken zunehmend exotischer, oft skurril. Waren Sie schon mal mit Situationen konfrontiert, in denen Sie Ihre Mitwirkung nicht mehr zusagen konnten?

Nein, das hatte ich noch nicht. Ich konnte immer mitgehen, weil es Themen betraf, die für die Angehörigen zwar „exotisch“ schienen, aber eigentlich nur von dem, was sie bislang selber bei Trauerfeiern erlebten, etwas abwich. Die Harley in der Aussegnungshalle, ein Umtrunk am Grab mit dem Lieblings-Wein des Verstorbenen, ungewöhnliche Musik– ich finde es gut, wenn sich die Angehörigen trauen, ihre Wünsche in den Abschied mit einzubringen. Ich habe aber mal einen Auftrag abgelehnt, weil der Sohn seine Mutter „irgendwie unter die Erde bringen wollte“, damit man ihm nichts nachsagt. Er wollte außer dem reinen Lebenslauf nichts preisgeben, weil das Verhältnis völlig zerrüttet war. Als er sagte „Schreiben Sie halt irgendwas“, da habe ich abgelehnt. Meine Besonderheit sind die persönlichen, individuellen Reden, die wirklich guten Abschiede und kein 08/15 Blabla. Der Bestatter war übrigens begeistert, dass ich den Mut hatte, abzulehnen. Er wußte, dass eine lieblos hingeschwafelte Rede sowohl bei mir als auch beim Bestatter einen Imageschaden anrichten würde. Der Sohn hätte ja später nie gesagt „Die Rede war so unpersönlich, weil ich das so wollte…“.

„Ich lebe viel bewusster“

Eine schöne Trauerrede trägt ein gehörig Maß zur sprichwörtlich „schönen Leich‘“ bei. Das bedeutet viel Verantwortung – bei jeder einzelnen Bestattung. Hat sich bei aller damit natürlich auch verbundenen auf Erfahrung beruhender Professionalität eigentlich Ihr persönliches Verhältnis zum Tod (und somit auch zum Leben) über die Jahre nachhaltig verändert?

Absolut! Ich lebe viel bewußter und bin dankbar für „scheinbare Selbstverständlichkeiten“. Ich weiß, wie schnell es vorbei sein kann und was für ein Geschenk das Leben ist. Mein Beruf tut somit nicht nur den Angehörigen, sondern auch mir gut. Ist das nicht schön?

„Bunt wird sie sein“

Haben Sie schon eine Vorstellung von Ihrer eigenen Beerdigung?

Ja klar! Bunt wird sie sein, mit Musik von „Queen“, ordentlich laut – auch wenn ich mit 100 sterbe… Mit einer Rede, die ehrlich sein soll, denn natürlich habe auch ich meine Ecken und Kanten. Die Trauergäste sollen keine Blumen mitbringen, sondern sie bekommen Geschenke, die an mich erinnern. Ob ich verbrannt oder erdbestattet werde und wo mein Grab sein wird überlasse ich aber meinen Angehörigen. Denn die müssen mit meinem Tod leben und entscheiden, ob sie einen Ort zum Trauern brauchen oder nicht. Ich werde nach meinen Tod „irgendwie“ ja sowieso immer bei ihnen sein. Das Grab soll aber nicht in der prallen Sonne sein, ich mag‘s nicht so warm… (lach).

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